| 5 E-Git |
| 10:30 min. |
| 2001 |
| Partitur, 20 Seiten |
| 13,10   bestellen |
| TPV.S1-021 |
| Stimmensatz |
| 33,54   bestellen |
| TPV.S1-021S |
In einer Einführung zu den Stück "Kolibri" (1999), das ich für das Ensemble Maderna komponierte, schrieb ich zur Uraufführung:
"Kolibri ist ein schnelles und zugleich sehr zartes Stück [...] Es ist zweiteilig, und in beiden Teilen geht es in irgendeiner Weise um Bewegung und Tempo."
Ich muss gestehen, dass ich beim Komponieren für (klassische) Gitarre immer das gleiche Bild vor Augen habe: das Bild von rasend schnellen Händen, die an den Saiten arbeiten und dabei Klänge von faszinierender Zartheit hervorbringen. Obwohl das klangliche Resultat im Falle von E-Gitarren ungleich massiver ist, wollte ich diesen zugegebenermaßen eher sportlichen Aspekt nicht völlig beiseite lassen, zumal ich hier die Klangdichte durch Verwendung von Effektgeräten quantitativ noch steigern konnte.
Deutlicher als im oben erwähnten Stück tritt in "Lines, a couple of fields ..." ein weiterer Grundgedanke hervor, der ebenfalls mit Geschwindigkeit zu tun hat und auf dem nahezu alles verwendete Material beruht: das kontinuierliche Durchschreiten eines bestimmten Tonraumes innerhalb einer bestimmten Zeit. Das bevorzugte Mittel hierbei sind Glissandi. Als schnelle, kurze Felder bedeuten sie zumeist ein (zartes) Zerbersten oder ein Sich-Verflüchtigen einer vorher in sehr engem Tonraum fixierten punktuellen Gestik. Demgegenüber steht eine insgesamt stetig ansteigende Schicht aus zumeist drei sich umeinander windenden Linien, deren Verhältnis zueinander - also, ob sie sich an- oder absteigend einander annähern, entfernen oder überkreuzen - sich nie wiederholt. Ich nenne sie eine Art Meta-Glissando, weil sie sich analog zum Verhältnis von Ausführung und daraus resultierendem Klang beim Glissando entwickelt. Damit meine ich, dass eine gleichmäßig schnelle Bewegung des abgreifenden Fingers vom Beginn der Saite bis zu deren Ende, also eine lineare Veränderung der Position auf der Saite, keineswegs auch eine lineare, gleichmäßig ansteigende Veränderung der Tonhöhe bewirkt, sondern dass sich vielmehr die Tonhöhenänderung zunächst sehr langsam, dann immer schneller vollzieht. Man kann dies auch daran sehen, dass der Abstand der Bünde mit zunehmender Höhe geringer wird.
Alles in allem bewirkt diese Entwicklung, die mehr als die Hälfte des Stückes in Anspruch nimmt, eine Zunahme der Geschwindigkeit und damit der Dichte, wodurch zumindest theoretisch ein Grenzpunkt dieser Entwicklung gegeben ist, an dem struktuale Einzelereignisse ununterscheidbar werden und somit als Fläche wirken. Weil aber dieses kategoriale Umschlagen der Wahrnehmung subjektiv ist, kann man auch nur theoretisch von einem Grenz-"Punkt" sprechen. In Wahrheit ist es vielmehr ein Grenz-"Bereich".
Allerdings verfolge ich in "Lines, a couple of fields ..." die Idee der kontinuierlichen Beschleunigung und Verdichtung nicht konsequent bis zum Ende, weil ich in der Nähe des eben beschriebene Grenzbereichs den Entwicklungsprozess anhalte. Dadurch sind die aneinander gereihten Bewegungszustände, die später den Schlussteil bestimmen, zwar eine logische Konsequenz alles Vorherigen, erscheinen aber dennoch losgelöst davon.
Joachim F.W. Schneider